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Blackout beim Rollout

KVB-Spitze lehnt Wünsche ihrer Mitglieder „offensiv“ ab. Ist die Bereitschaftsdienstreform wirklich alternativlos? Die Bereitschaftsdienstreform wird zunehmend zum großen Ärgernis für Vertragsärzte und Kommunalpolitiker gerade in ländlichen Gebieten und zum teuren Rohrkrepierer für die Mitglieder der kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB). Kosten von über 100 Mio. Euro in den kommenden vier Jahren für die bayerischen Vertragsärzte hielten die Mitglieder der Vertreterversammlung nicht davon ab, diese angeblich „alternativlose“ Reform „offensiv“ fortzuführen und nach Plan binnen Jahresfrist flächendeckend dem Freistaat überzustülpen. Bedenken und Änderungsvorschläge der Mitglieder, vorgetragen von den Delegierten des Bayerischen Facharztverbandes (BFAV), blieben ungehört.

Wer in den letzten Wochen die lokale Presse in Bayern studierte, konnte eine Ahnung davon bekommen, dass lange nicht alles so rosig ist bei der Bereitschaftsdienstreform, wie das die kassenärztliche Vereinigung Bayerns in ihren Veröffentlichungen gerne anpreist. Bürgermeister und Landräte sind beunruhigt. Die Vertragsärzte werden spät informiert und fühlen sich nicht mitgenommen, wie eine Umfrage des bayerischen Facharztverbandes zeigt. „Gerade die Kollegen, die seit Jahren in ihren Regionen mit viel Herzblut eigene Strukturen für den Bereitschaftsdienst aufgebaut haben, sind enttäuscht von dem rigorosen Vorgehen der KVB“, erklärt Wolfgang Bärtl, Sprecher des BFAV. „Die Kollegen fühlen sich nicht wertgeschätzt und werden vermutlich ihr professionelles Engagement weiter zurückfahren und der eine oder andere überlegt in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen.“

Das sei die falsche Antwort der KVB auf den wachsenden Ärztemangel, ist der BFAV überzeugt und hat deshalb in zwei Veranstaltungen unter dem Motto „Ärzte für die Region“ die Wünsche, Anregungen und Ideen der niedergelassenen Kollegen gesammelt und in entsprechenden Anträgen der Vertreterversammlung in München zur Entscheidung vorgelegt. Aufgrund dieser Gespräche warnt der BFAV vor einer Zerschlagung gewachsener Strukturen bei nicht überschaubaren Ausgaben und einer Verschlechterung der Patientenversorgung und belegt dies mit den aktuellen Umfrageergebnissen.

Mit aggressiver Ablehnung reagierte allerdings die große Mehrheit der rund vierzig Delegierten bei der Vertreterversammlung der Körperschaft am vergangenen Wochenende in München auf diese konstruktive Kritik an der Bereitschaftsdienstreform und die Vorschläge des Bayerischen Facharztverbandes. Sämtliche Anträge dazu wurden abgelehnt oder ohne jede Diskussion von der Tagesordnung abgesetzt. Einem intensiveren Meinungsaustausch entzog sich das Gremium durch eine Redezeitbegrenzung und mit abruptem Schluss der Rednerliste. Die Anhörung von betroffenen Kommunalpolitikern in einer Sonder-VV wurde als zu teuer abgelehnt.

„Die Marschroute der VV und des Vorstandes der KVB lässt sich unter dem Motto „Augen zu und durch“ zusammenfassen,“ kommentiert Ilka Enger, ehemaliges Mitglied des Vorstandes der KVB dieses Verhalten. „Bereits in dem Projekt „Pilotregionen“, das zur Erprobung des neuen Systems eingerichtet, aber nicht adäquat ausgewertet wurde, werden Probleme deutlich, die man nicht ignorieren darf.“

Eine von der KVB vorgenommene Befragung von ca. 3000 Ärzten aus der Pilotregion zeige bei den angeblich „begeisterten Pilotärzten“ nur einen Rücklauf von 422 Antworten, so der BFAV und selbst hier wird thematisiert, dass die Dienstgebiete zu groß seien, um einen vernünftigen Hausbesuchsservice aufrecht zu erhalten.

„Da wirken die Beteuerungen des stellv. Vorstandsvorsitzenden Pedro Schmelz, dass bei dem flächendeckenden Roll-Out der ins Schussfeld geratene Fahrdienst „wohnortnah und effizient die Hausbesuche ansteuern“ würde, eher wie ein Stoßgebet zum Himmel,“ kommentiert Ilka Enger. „Bei den gravierenden Problemen in den Pilotregionen, die sogar zu einem Austausch der Fahrdienstanbieter in drei Regionen geführt haben, von einer „Blaupause für den bayernweiten Rollout“ zu sprechen, halte ich für gewagt.“

100 Mio € Mehrkosten

Enger befürchtet massive Kostensteigerungen zulasten der Kollegen. „Rund 10% des Verwaltungshaushaltes sind in Zukunft für den Bereitschaftsdienst reserviert“, führte sie während Vertreterversammlung aus und ergänzt im direkten Gespräch „Das widerspricht den Aussagen des Vorsitzenden der KVB, Wolfgang Krombholz, der den Ärzten erklärt hatte, dass die Bereitschaftsdienstreform die Vertragsärzte nichts kosten würde.“

Schon in 2018 weist der Haushalt direkt zuordenbare Positionen in Höhe von 31,2 Mio. Euro für Erstellung und Betrieb des Fahrdienstes, der Bereitschaftspraxen und des organisatorischen Overheads auf Kosten der Vertragsärzte auf. Für den Zeitraum 2019- 2021 habe sich der Vorstand bereits eine Ermächtigungsverpflichtung für weitere ca. 80 Mio. Euro reserviert.

Über 1000 Euro im Jahr koste im Durchschnitt jeden Arzt diese Bereitschaftsdienstreform. Damit nicht genug, sammelt die KVB auch noch bei den Mitgliedern Nutzungspauschalen von 5 Euro pro Fall in den Bereitschaftspraxen ein und die bisher an die Kollegen ausbezahlten Wegepauschalen werden ebenfalls zwangsweise einbehalten, um den professionellen Fahrdienst gegen zu finanzieren.

„Die Kollegen werden in der Diskussion um die Bereitschaftsdienstreform nicht mitgenommen“, warnt Bärtl und berichtet von seinen Gesprächen in den Regionen. Die BFAV Umfrage zeige, dass die regionalen Interessen stärker gehört werden sollten. Bestehende Strukturen sollten nicht zerschlagen werden. Das wirke auf die Kollegen demotivierend. Der BFAV will für die Bereitschaftsdienstreform den drohenden „Blackout beim Rollout“ verhindern.

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