Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)
Die Novellierung der amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) wird zur wichtigsten Weichenstellung für alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und für Krankenhausärzte mit Liquidationsrecht im Jahr 2016 – mittelbar, aber auch für alle angestellten Ärztinnen und Ärzte.
Formuliertes Ziel war es, das Leistungsverzeichnis zu modernisieren, indem veraltete Leistungen eliminiert und neue aufgenommen werden. Die Bewertungen der Leistungen sollen auf ein neues, zeitgemäßes, betriebswirtschaftlich ermitteltes Fundament gestellt werden. Der Inflationsausgleich einer über viele Jahre nicht angepassten GOÄ sollte berücksichtigt werden.
Die bisher veröffentlichten Details der GOÄ-Novelle gehen aber in eine ganz andere Richtung. Die Bundesärztekammer (BÄrzteK) und der Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. (PKV) planen einen vollständigen Umbau der über viele Jahre bewahrten Struktur der GOÄ.
Dazu Prof. Frank Ulrich Montgomery (Bundesärztekammerpräsident):
„Klar ist: Es kann nicht nur Gewinner geben. Aber wir können garantieren, dass niemand dabei sein wird, der so viel verliert, dass es für ihn in irgendeiner Weise existenziell bedrohlich wird.“ (Dtsch. Ärzteblatt v. 28.2.14)
Im - dem Gebührenverzeichnis vorangestellten, wichtigen - Paragraphenteil sind mit dem PKV-Verband Änderungen vereinbart worden, die die Struktur und die Anwendungen der GOÄ neu wesentlich verändern werden. Das war aber weder das Ziel noch der Sinn einer GOÄ-Anpassung.
Die kritischen Änderungspunkte in der mit dem PKV-Verband vereinbarten GOÄ-Novelle im einzelnen:
1. Gemeinsame Kommission (BÄK und PKV-Verband) zur Pflege und Weiterentwicklung der GOÄ
Diese Kommission aus Vertretern des PKV-Verbandes, der Beihilfe und der Ärzte (GeKo) soll zur zentralen Institution zur Pflege und Weiterentwicklung der GOÄ werden. Dies war bisher Aufgabe der Bundesärztekammer.
2. Robuster Einfachsatz
§5 GOÄ alt wird entscheidend verändert. Für alle Leistungen wird ein Einfachsatz vereinbart, für den eine dem Einzelfall angepasste individuelle Steigerungsmöglichkeit nicht mehr - wie bisher möglich - sein wird. Unter gewissen Konstellationen wird es eine Steigerungsmöglichkeit zweifach (2x) geben. Die Begründungen, bei denen diese Steigerungsmöglichkeit (2x) gelten soll, werden von der GeKo erarbeitet. Ebenso wird
von der GeKo eine Negativliste erarbeitet, um Bedingungen zu beschreiben, bei denen eine Steigerung generell ausgeschlossen sein soll.
3. Abweichende Honorarvereinbarungen
Diese sollen weiterhin möglich sein, aber nur unter der Bedingung einer vorhergehenden Begründung. Falls Behandlungsumstände vorliegen, die in der Negativliste von der Steigerung ausgeschlossen sind, sind auch abweichende Honorarvereinbarungen untersagt.
4. Analogbewertung neuer Leistungen
Diese Möglichkeit soll es weiterhin geben – aber nur nach vorgehender Stellungnahme, Erarbeitung und Vorgaben durch die GeKo.
5. Geeignete Maßnahmen zur Vermeidung unerwünschter und unbegründeter Honorarentwicklungen
Die GeKo bekommt die Aufgabe der Evaluation und Kontrolle der Abrechnung der Ärzte nach GOÄ. Im Falle von „unerwünschten und unerwarteten Honorarentwicklungen“ sollen geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden
6. Weitere Aufgaben der GeKo
- Abgabe gemeinsamer Bewertungen zur medizinischen Notwendigkeit innovativer Leistungen (für Patienteninformation und als Basis für Leistungsein- und ausschlüsse bei den Versicherungsbedingungen)
- Initiative zur Kommunikation der medizinischen Notwendigkeit von Leistungen z.B. Impfungen, Primärprävention/Vorsorge
- Kommunikation zu einer gemeinsamen Bewertung eines Mindestleistungskataloges für die Versorgung in der privaten Krankenversicherung
7. Bisher nur aus der gesetzlichen Krankenversicherung bekannte Formulierungen und Tatbestände sollen eingeführt werden:
- Besonders förderungswürdige Leistungen
- Einführung von Elementen zur Verbesserung der Versorgungsstruktur und Versorgungsqualität
- Qualitäts-, Ausstattungs- und Strukturvoraussetzungen für die Erbringung hochkomplexer Leistungen
Dies ist nur eine exemplarische Auswahl und bei weitem keine vollständige Zusammenfassung aller „Neuerungen“, die die GOÄ-Novelle beinhalten soll. Auch unter einer wohlwollenden Bewertung kommt der Betrachter nicht zu der Erkenntnis, dass diese GOÄ-Novelle dem Arzt nutzen wird, geschweige dem von Vorteil sein wird.
Die Grundstruktur der amtlichen Gebührenordnung für Ärzte wird verlassen. Dafür wird eine Gebührenordnung aufgebaut, die im bisher bekannt gewordenen Regelteil sehr an den einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM)erinnert.
Wesentliche Elemente einer freiheitlichen Gebührenordnung, die Voraussetzung für eine vertrauensvolle Arzt-Patientenbeziehung sind, finden sich in der GOÄ-Novelle nicht mehr oder wurden sehr stark eingeschränkt.(individuelle Steigerung von 1,0 bis 3,5, Analogbewertung, abweichende Honorarvereinbarung).
Ohne Not wurden diese essentiellen Grundlagen der GOÄ geopfert – lange bevor es zu einer Einigung über die Bewertung der GOÄ-Ziffern gekommen ist. Aber auch wenn es zu einer augenscheinlich akzeptablen Einigung bei der Leistungsbewertung kommen sollte, können diese Änderungen im Paragraphenteil Verbesserungen in der Leistungsbewertung wieder aufheben.
Unsere Forderungen sind deshalb:
- Verzicht auf diese beabsichtigten Änderungen im Paragraphenteil der GOÄ und Beibehaltung der Grundstruktur der bewährten GOÄ
- Aufnahme neuer Leistungen, Streichung alter, nicht mehr erbrachter Leistungen
- Neubewertung aller Leistungen unter Berücksichtigung eines Inflationsaus-gleiches, betriebswirtschaftlicher Grundlagen und des horizontalen Gefüges der GOÄ
- Erstellung eines Entwurfes einer GOÄ-Novelle unter diesen Bedingungen und Vorlage dieses Entwurfes beim Bundesministerium für Gesundheit. Denn anders als bei der vertragsärztlichen Gebührenordnung (EBM) liegt die Verantwortung für die GOÄ in den Händen der Bundesregierung. Die GOÄ ist eine Rechtsverordnung, beruhend auf § 11 der Bundesärzteordnung (BÄO). Hierin wird die Bundesregierung ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates die Entgelte für die ärztlichen Tätigkeiten zu regeln.
In einer Veröffentlichung Ende des vergangenen Jahres mahnte der BÄK-Präsident Montgomery an, dass diese GOÄ-Novelle alternativlos sei und deren Verhinderung ein wesentlicher Schritt zur Bürgerversicherung wäre.
Wir glauben, das Gegenteil ist richtig: Eine GOÄ-Novelle in dieser Form ist der nächste Schritt zu einer Bürgerversicherung, d.h. zu einer Vereinheitlichung von GOÄ und EBM.