»Falsch gerechnet«
BFAV warnt vor Fehleinschätzung zum Einsparvolumen
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken will ein hausärztliches Primärarztsystem mit Terminvergabegarantie für die Patienten beim Facharzt etablieren, bei der die Kliniken ambulant mitversorgen sollen. Die Betroffenen warnen vor falschen Hoffnungen. Neben einer hohen Anspruchshaltung sind nach Meinung des Bayerischen Facharztverbandes (BFAV) in einem fachärztlich budgetierten System mit notorischer Unterfinanzierung, insbesondere der Grundversorgung, ein bürokratischer Overkill mit Obergrenzen, Zeitplausibilität und Fallzahlbegrenzung die wahren Gründe für einen schlechteren Zugang zur fachärztlichen Versorgung.
Dr. Klaus Stefan Holler, Facharzt für HNO-Heilkunde und Sprecher des Bayerischen Facharztverbandes, widerspricht Warken, „denn auch in den gelobten Primärarztländern gehen Leute öfter zum Arzt. Aber dort erfolgen viele Facharztbesuche auf privater Basis.“ Die Quote privater Zusatzversicherungen, z. B. in Frankreich oder den Niederlanden, liege bei rund 80%. Diese Kosten des Gesundheitswesens, die für die Patienten aus eigener Tasche anfallen, würden in der Vergleichsstatistik zu Deutschland nicht erfasst und fallen unter den Tisch.
Völlig außer Acht gelassen werde, dass in vielen Primärversorgungsländern wesentliche fachärztliche Leistungen gar nicht oder nur sehr eingeschränkt gezahlt werden.
Hausärzte als »Nadelöhr«
Dr. Wolfgang Bärtl, Orthopäde und Vorstand des BFAV sieht die Versprechen des Hausärzteverbandes und mancher Politiker, dass ein Primärarztsystem die überwiegende Anzahl der Patienten versorgen könne, als einen ungedeckten Scheck. Weder sind die Kapazitäten, noch die Kompetenzen vorhanden. „Ein hausärztlich gesteuertes Primärarztsystem wird im Gegenteil sogar zum Nadelöhr für die fachärztliche Behandlung führen. Bärtl warnt vor dem Irrglauben, dass so mehr fachärztliche Termine generiert werden könnten. Die unterschwellige Drohung, den Patienten eine zeitnahe Behandlung im Krankenhaus in Aussicht zu stellen, schaffe keinen einzigen neuen Termin. Die in den fachärztlichen Disziplinen in der Klinik tätigen Kollegen „sind naturgemäß überwiegend Kollegen in Weiterbildung“.
Der BFAV sieht, so Sprecher Holler, diese Entwicklung mit großer
Sorge. Den Facharzt auf Bestellung, den sich Ministerin Warken in einem für Fachärzte budgetierten System mit Fallzahlbegrenzung, Zeitvorgaben und Quotierung wünscht, werde es nicht geben.

