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Konferenz des BFAV mit Klaus Holetschek, Fraktionsvorsitzender der CSU

Primärarztsystem, Möglichkeiten der Patientensteuerung, GOÄneu und die Auswirkungen des Krankenhaus-Versorgungsverbesserungsgesetzes

Der Fraktionsvorsitzende der CSU im Bayerischen Landtag, Herr Klaus Holetschek, führte als profunder Kenner des Gesundheitswesens ein Gespräch mit Dr. Klaus Stefan Holler, Hals-Nasen-Ohrenarzt und Sprecher des Bayerischen Facharztverbandes und Dr. Wolfgang Bärtl, Orthopäde und Vorstand des Bayerischen Facharztverbandes zu der Ausgestaltung eines künftigen Primärarztsystems, Möglichkeiten der Patientensteuerung, zur GOÄneu und über die Auswirkungen des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes auf das Belegarztwesen in Bayern.

Holetschek: Die Wartezeiten insbesondere auf Facharzttermine sind für viele Menschen eine der Herausforderungen im Gesundheitswesen, für die wir Lösungen finden müssen. Klar ist: Mehr Medizinstudienplätze, um mehr Ärztinnen und Ärzte auszubilden, eine bessere Steuerung der Patienten und ein adäquater terminlicher Zugang zur fachärztlichen Versorgung sind zwingend notwendig. Ohne Steuerung wird ein zukunftsfestes Gesundheitswesen nicht zu erreichen sein. Welche Vorschläge unterbreitet der Bayerische Facharztverband?

Holler: Auch wir sehen die Notwendigkeit einer Koordinierung und Steuerung. Aus unserer Sicht wären ein Stufentarifmodell nach schweizerischem Vorbild oder eine sozialverträgliche Eigenbeteiligung zielführend. Höhere Verbindlichkeit der Regeln ist künftig notwendig, um Entlastung zu erzielen. Wer mehr als einen Hausarzt oder Facharzt derselben Fachgruppe konsultieren will, kann dies als Selbstzahler tun. Dies würde aus Sicht des Bayerischen Facharztverbandes zu einer relevanten Entlastung, auch der hausärztlichen Kollegen, führen.

Holetschek: Für mich ist klar: Zeitnahe Facharzttermine helfen, den sozialen Frieden zu sichern. Das belegt auch eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag der AOK. Zweidrittel der Menschen in Bayern würden demnach freie Arztwahl gegen schnellere Termine tauschen. Leider gibt es Negativbeispiele mit unvertretbarer Wartezeit bei schweren Erkrankungen. Mit dem aktuellen Koalitionsvertrag setzt die neue Bundesregierung auf ein verbindliches Primärarztsystem bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte in der Hausarztzentrierten Versorgung und im Kollektivvertrag bis hin zur Möglichkeit, im Krankenhaus vorstellig werden zu können, wenn kein Termin beim niedergelassenen Facharzt verfügbar ist. Daraus resultieren die Überlegungen zur Termingarantie im Koalitionsvertrag. Ein Stufentarifmodell nach Schweizer Modell wurde in den Koalitionsverhandlungen nicht konsentiert. Was Sie aber vorschlagen, geht in Richtung Praxisgebühr, wie wir sie vor Jahren hatten. Diese hat sich nicht bewährt. Wir müssen andere Wege finden. 

Holler: In Deutschland erhält die große Majorität der Patienten innerhalb weniger Wochen einen Facharzttermin. Dies auch wesentlich schneller als im Rest Europas, insbesondere schneller als in den Ländern, in denen eine primär hausärztliche Versorgung verpflichtend ist. Eine Termingarantie ist hinsichtlich der Freiberuflichkeit ein schwieriges Thema, erschwerend kommt die fachärztliche Budgetierung dazu. Wenige, echte Problemfälle brauchen – wie schon in der Vergangenheit – gute Kooperation und Kommunikation der Kollegen vor Ort.

Bärtl: Die Fachärzte haben Sorge, dass mit diesen Ankündigungen Druck aufgebaut werden soll. Viele nachgefragte Fachgebiete sind gerade an den kleineren und mittleren Krankenhäusern gar nicht vorhanden, beispielshaft die HNO-Heilkunde, Urologie oder Orthopädie, gerade Fächer, die einen hohen Notfallpatientenanteil aufweisen. Eine Behandlung am Krankenhaus mit Termingarantie wird zu kaum zu realisieren und ein rein hausärztliches Primärarztsystem wird – entgegen der Behauptungen des Hausärzteverbandes – nicht versorgungssicher umsetzbar sein. Ein bedeutender Aspekt ist die künftige Versorgung von Verletzungen und Unfällen, die aus Gründen der Patientensicherheit und der Ökonomie direkt unfallchirurgisch, orthopädisch oder chirurgisch primärärztlich behandelt werden müssen. Basis künftiger Primärversorgung sollte stets der Kollektivvertrag sein, der im starken Gegensatz zu Selektivverträgen, eine echte, fachübergreifende Versorgung, Bereitschaftsdienst, Terminservice, Sicherstellung, Weiterbildung, Bedarfsplanung und auch deren Finanzierung auf allen Schultern gewährleistet.

Holetschek: Ihre Aussagen zeigen, wie vielschichtig der Ärztemangel und dessen Ursachen sind, und sprechen die investorengeführten medizinischen Versorgungszentren an. Klar ist: Das Patientenwohl muss auch weiterhin im Mittelpunkt ärztlichen Handelns stehen. Dort, wo nicht mehr der Patient, sondern die Rendite im Fokus steht, können MVZ die Versorgungssicherheit gefährden.

Der Arztberuf ist sicher einer der schönsten, wir brauchen aber mehr Medizinerinnen und Mediziner, um die Menschen weiterhin so hochwertig versorgen zu können. Wir haben dafür mehr Medizinstudienplätze geschaffen. Wir wollen auch mit einem EU-Stipendienprogramm Medizinstudentinnen und -studenten unterstützen, die ihr Studium an besondere Vorgaben erfüllenden ausländischen Universitäten beginnen und sich bereit erklären, im Anschluss an Studium und Facharztweiterbildung für mindestens fünf Jahre eine fachärztliche Tätigkeit im ländlichen Raum in Bayern auszuüben.

Als CSU-Fraktion haben wir uns zudem vehement dafür eingesetzt, dass Gebührenordnungen für Ärzte und Zahnärzte (GOÄ und GOZ) reformiert und modernisiert werden – nach drei Jahrzehnten des Stillstands. Die GOÄneu wurde am Ärztetag in Leipzig mit großer Mehrheit beschlossen, Der verabschiedete Entwurf wurde an Bundesgesundheitsministerin Nina Warken übergeben. Grundsätzlich wäre aus meiner Sicht jetzt eine zeitnahe Umsetzung möglich. Wie bewerten Sie die Einführung der GOÄneu?

Bärtl: Wir wollen zu bedenken geben, dass trotz hoher Beschlussmehrheit viele Fachgruppen auf dem Ärztetag nicht repräsentiert waren und nach wie vor rund 45 große Fachgesellschaften Kritik äußern. Mit der GOÄ-Neu wird eine Entwertung fachärztlich operativer Leistungen zugunsten sprechender Medizin vollzogen. Dies betrachten wir kritisch und nachteilig.

Holler: Das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz kann in Bayern, als großes Flächenland mit vielen kleineren Kliniken, negative Implikationen auf das Belegarztwesen verursachen. Kleine, gut versorgende und bewährte Belegabteilungen können die Vorgaben, gerade bezüglich der Personalstärke, nicht mehr erfüllen, die Schließung steht vor der Tür.

Holetschek: Die Union hat sich in den Verhandlungen zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz maßgeblich eingebracht. Wir sehen diese – auch von Ihnen genannten - Probleme Anpassungen sind zwingend notwendig, um die Versorgung der Menschen nicht zu gefährden. Die Verunsicherung im Bereich der stationären Versorgung ist aber weiterhin groß. Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Nachbesserungen des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) müssen daher rasch angegangen und umgesetzt werden. So ist eine Flexibilisierung vorgesehen, um Versorgungsengpässe zu verhindern. Die aktuelle Eskalation im Nahen Osten zwischen Israel und Iran zeigt zudem, wie wichtig es ist, medizinische Versorgung als Teil der nationalen Sicherheitsarchitektur zu denken. Konkret bedeutet das, dass bei Neubau und Sanierung von Krankenhäusern künftig konsequent krisenrelevante Infrastrukturen mitgedacht werden – etwa die gesicherte Versorgung mit Strom, Wasser, medizinischen Gasen und IT-Systemen. Das sind Grundvoraussetzungen für die Basisfunktionalität im Ernstfall. Wenn ich einen Wunsch äußern darf: Bringen Sie sich weiterhin in aktiv ein und gestalten mit Ihrer Expertise die nötige Krankenhausreform mit.

Holler: Herr Fraktionsvorsitzender, wir danken herzlich für das Gespräch!

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Klaus Holetschek, Fraktionsvorsitzender der CSU