Telematikinfrastruktur-Update zum Jahreswechsel 2024
Der Widerspruch geht weiter
In den letzten Wochen bekam der Bayerische Facharztverband viele Anfragen wie es denn wohl nun jetzt mit der Telematikinfrastruktur weitergehen wird und wie man sich als Facharzt zur elektronischen Patientenakte positionieren solle.
Zuerst möchte ich Ihnen aber ein Update für die vergangenen 12 Monate Telematikinfrastruktur aus der Sicht des Bayerischen Facharztverbandes geben.
Nach Ablehnung der Klage des BFAV (Kläger Dr. Gernot Petzold) am 26.1. 2023 gegen den Honorarabzug der KVB bei Nichtanschluss an die Telematikinfrastruktur durch das Sozialgericht München strengten wir vor dem Landessozialgericht München ein Berufungsverfahren an. Am 23.10.2024! erreichte uns folgende Nachricht des bayerischen Landessozialgerichtes:
„Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG als unbegründet zurückzuweisen. Die Gründe ergeben sich aus dem angefochtenen Urteil des Sozialgerichts München vom 26.01.2023, Az.: S 38 KA 190/20, sowie der Entscheidung des BSG vom 06.03.2024, Az.: B 6 KA 23/22 R, die der Senat für zutreffend hält.“
In der Tat erging am 06.03.2024 ein Urteil des Bundessozialgerichts in Sachen Honorarabzug und Zwangsanschluss an die TI. Vorausgegangen war eine Klage einer Gynäkologin vor dem Sozialgericht Mainz gegen den Honorarabzug bei Nichtanschluss an die TI, die dann per Sprungrevision zur Entscheidung zum BSG ging. Ein anwesender Beobachter schilderte das Verhandlungsgeschehen eher als Farce. Argumente wie ärztliche Schweigepflicht und Datenschutz wurden weder zugelassen noch fanden sie Gehör.
Der Anwalt des Bayerischen Facharztverbandes legte eine Nichtzulassungsbeschwerde bezüglich der Nichtzulassung der Revision vor dem Bayerischen Landessozialgericht am 9.11.2024 ein. 3 Hauptargumente waren der Kern der Nichtzulassungsbeschwerde:
- Datenschutz (Die Verpflichtung zum Anschluss der Praxis-IT an die Telematik im Gesundheitswesen eröffnet für bislang nicht vernetzte ärztliche IT-Systeme wie die des Klägers erstmals die Möglichkeit, Ziel eines illegalen Zugriffs auf die bei jedem Arzt umfangreich gespeicherten hochsensiblen Gesundheitsdaten seiner Patienten zu werden.)
- Die Unverhältnismäßigkeit des Honorarabzugs (Das Vorgehen der Gematik führt aber dazu, dass schon die Anordnung des Anschlusszwanges, jedenfalls aber die Anordnung eines Honorarabzugs für die Ärzte, die sich nicht anschließen, unverhältnismäßig ist und zwar unabhängig davon, ob die … dargestellten Bedenken des Klägers gegen die Verfassungsmäßigkeit der Norm zutreffend sind oder nicht. Es geht ja in der Praxis nur um eine – geringfügige – Vereinfachung für die Synchronisation von Daten, nicht um die auch gesellschaftlich wichtige Verhinderung des Missbrauchs von Versicherungsleistungen. Eine solche Verwaltungsvereinfachung rechtfertigt nicht die Durchsetzung des Anschlusszwangs durch Honorarabzug.)
- Sicherheitsbedenken (Das BSG hat sich mit den konkreten Argumenten des Klägers, betreffend die Sicherheit des Anschlusses der Praxis-IT an die Telematik im Gesundheitswesen in der im Jahre 2019 (und auch später) gegebenen vorhandenen technischen Ausgestaltung nicht näher beschäftigt und konnte dies auch gar nicht.)
In dieser Frage ist uns bis heute keine Entscheidung zugegangen. Ich vermute, dass unsere Beschwerde abgewiesen wird. Dann wäre der Weg zum Bundesverfassungsgericht frei. Vor einer Verfassungsbeschwerde müssen alle möglichen Rechtsinstanzen „ausgekostet“ sein.
Der BFAV hat Kontakt zu einem Rechtsanwalt aufgenommen, der am Bundesverfassungsgericht zugelassen ist und uns vor diesem Gericht auch vertreten darf und will. Bereits im November fand eine erste Zoom-Konferenz zwischen unseren bisherigen Anwalt, mir und dem Verfassungsrechtler statt. In diesem Meeting wurde der weitere Weg, den wir gemeinsam mit den Rechtsanwälten zum BVerfG gehen müssen, grob skizziert und fixiert.
Nach den bisherigen Entscheidungen der Sozialgerichte und des Bundessozialgerichts bin ich der Auffassung, dass wir nur vor dem Bundesverfassungsgericht eine Änderung der rechtlichen Entscheidungen zum Honorarzwangsabzug bei Nichtanschluss an die Telematikinfrastruktur erreichen können. Alle anderen Gericht entscheiden nur innerhalb der Gesetzlichkeiten, können aber nicht urteilen, wenn sich verschiedene Gesetze gegenseitig oder gar das Strafrecht verletzen.
ePA - elektronische Patientenakte
Am 15. Januar 2025 sollte eigentlich der bundesweite Start der elektronischen Patientenakte sein. Aufgrund der aber sichtbaren technischen Unzulänglichkeiten der ePA und deren Anbindung an vorhandene Praxissoftwaresysteme erfolgt am 15. Januar nur der Start in den Testregionen. Neben dem fehlenden praktischen Nutzen für uns Ärzte (PDF-Loseblattsammlung), der fehlenden Sicherheit (bisher keine Viren-Scanner) ist das stärkste Argument gegen eine ePA die Abkehr von der ärztlichen Schweigepflicht.
Wer sich dazu sachlich und unparteiisch informieren möchte, den verweise ich auf Publikationen von
- Professor Windeler (ehemaliger Chef des Iqwig-Instituts und Vertreter der evidence-based-medicine) und Andreas Meißner, Buchautor und Facharzt für Psychatrie und Psychotherapie.
https://observer-gesundheit.de/epa-die-opt-out-loesung-ist-so-nicht-vertretbar/ - Andreas Meißner: Die elektronische Patientenakte – Das Ende der Schweigepflicht (Westend-Verlag)
- Berichterstattung Frankenpost vom 22.10.2024 (siehe PDF)
Ich kann nur jeden niedergelassenen Arzt raten, sich mit diesem Thema intensiv zu befassen und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Konsequenzen für Patienten und Ärzte in naher, aber auch ferner Zukunft sind erheblich.
Trotz aller Widrigkeiten, die uns derzeit belasten, wünsche ich Ihnen im Namen des Vorstandes des Bayerischen Facharztverbandes für das Neue Jahr 2025 Gesundheit, persönliches Glück und Erfolg in unseren gemeinsamen Bemühungen, diesen wunderbaren freien Beruf „Arzt“ zu erhalten.
Gernot Petzod

Autor
Dr.med. Gernot Petzold
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