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Schreiben an den Präsidenten der Bundesärztekammer

Betreff: Stellungnahme zum Clearingverfahren GOÄneu

Sehr geehrter Herr Präsident,

mit Schreiben vom 06.12.2024 fordern Sie die Verbände zur Beteiligung an dem Clearingverfahren zum GOÄneu-Entwurf auf.

Der bayerische Facharztverband, der Bundesverband der niedergelassenen Fachärzte und der Berufsverband der Fachärzte für Kardiologie in freier Praxis  betrachten den von der Bundesärztekammer am 12.09.2024 vorgelegten GOÄ-Neuentwurf in dieser Form als inakzeptabel, da er einer Gebührenordnung für freie Berufe im wesentlichen Kernmerkmalen widerspricht, Geldentwertung und adäquate Bepreisung vernachlässigt und mit einer für unseren Beruf schädlichen Veränderung der Bundesärzteordnung einhergeht.

Der GOÄneu-Entwurf sieht Preiskontingente vor, welche künftig mit Kostenneutralität in einem zugestanden Steigerungskorridor liegen. Dieser entspricht de facto einer Budgetierung, welche kategorisch abzulehnen ist, da sie kein Merkmal einer freiberuflichen Gebührenordnung darstellt. Eine so gestaltete GOÄ würde zu einem Rabattleistungsverzeichnis analog dem EBM abqualifiziert.

Die Beibehaltung von Steigerungsfaktoren ist eine conditio sine qua non. Nur mit Steigerungsfaktoren lässt sich individuelle, differenzierte Therapie- und Diagnostikerfordernis abbilden und besondere Umstände der Leistungserbringung adäquat berücksichtigen. Die im GOÄneu-Entwurf vorgesehenen, wenigen Zuschläge ersetzen und berücksichtigen dies nicht. Die Problematik lässt sich an diversen, simplen Beispielen festmachen, so ist eine Fadenentfernung von 3 Hautfäden nach einer Bagatellverletzung gleichgesetzt mit der einer großen Operationswunde mit multiplen Nähten, die Nachbehandlung nach einer Infundibulotomie identisch mit der einer Pansinus-OP. Steigerungsfaktoren sind bewährter, unverzichtbarer Bestandteil einer freien ärztlichen Gebührenordnung und der differenzierten, fairen Liquidation gerade auch im Interesse des Patienten – und in letzter Konsequenz auch seiner Versicherung. Der sorgfältige Umgang der Ärzteschaft mit der Steigerung in den vergangenen Jahrzehnten und deren sehr moderate Auswirkungen sind der privaten Versicherungswirtschaft bestens bekannt.

Die Bepreisung fachärztlicher Leistungen, insbesondere operativer und kardiologischer Leistungen, ist absolut unzureichend, in Teilen auf EBM-Niveau und mit den heutigen betriebswirtschaftlichen Anforderungen einer operativ-fachärztlichen Praxis unvereinbar. Die massive, ein gefährdendes Ausmaß erreichende, Abwertung in methodendefinierten Fächern ist in dieser Form nicht akzeptabel. 
Eine Förderung sprechender Medizin kann nicht durch Dumping versorgungsrelevanter, hochwertiger fachärztlicher Leistungen querfinanziert werden.

Maschinenlesbare Rechnungsstellung über Telematikinfrastruktur mit OPS-Codierung ist kein Bestandteil einer freien Gebührenordnung. Weder ist in einem freien Beruf eine Zwangsanbindung an kostenintensive TI-Strukturen akzeptabel, noch eine Rechnungsstellung an den Versicherer. Der Vertragspartner und Adressat ist aus gutem Grund der Patient, nicht die Versicherungsgesellschaft. Weitergehende Codierungen an Versicherungen sind zur Erfüllung des privatärztlichen Behandlungsauftrags weder bisher nötig gewesen, noch künftig erforderlich. Sie führen ausschließlich zu einer Schwächung der Patientenrechte, zu mehr Überwachung, Bürokratie, Kosten und letztlich steigenden Sätzen in der privaten Krankenversicherung.

Die Änderung des § 11 der Bundesärzteordnung ist nicht zustimmungsfähig und gefährdet perspektivisch ärztliche Freiberuflichkeit. Die Schaffung einer Gebührenordnungskommission in der vorgesehenen Form ist abzulehnen, erstens ist diese für eine Weiterentwicklung der GOÄ nicht erforderlich, zweitens wird die in § 11a vorgeschlagene Struktur der gemeinsamen Kommission eine Weiterentwicklung der GOÄ de facto erschweren, wenn nicht unmöglich machen und zu einer nachteiligen Belastung und Schwächung der Rechte der Leistungsträger führen. Die in Artikel 2 vorgesehene ministerielle Überprüfung von Bewertungsvolumen und -gefüge mit konsekutiver ministerieller Anpassungsanordnung führt eine freiberufliche Gebührenordnung ad absurdum.

Das von Ihnen vielzitierte, inzwischen über ein Jahrzehnt alte, Junktim muss nicht zwingend ein Hindernis für die Ausgestaltung einer tragfähigen, fairen und modernen GOÄ sein. Wenn es jedoch zu Entwürfen wie dem am 12.09.24 vorgelegten, mit allen genannten nachteiligen Implikationen führt, muss es in seiner Berechtigung und Sinnhaftigkeit für unseren freien Berufsstand gegebenenfalls dringend überdacht werden.

 

Gez. Dr. med. Klaus Stefan Holler
Sprecher für BFAV und BVNF


Gez. Dr. med. Michael Betz
Vorstand des Berufsverbandes der Fachärzte für Kardiologie in freier Praxis

 

 

Autor

Dr. med. Klaus Holler
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