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Wer Notfälle zahlt, wird Notfälle bekommen.

Seit mehreren Jahren wird von interessierter Seite der Popanz aufgebaut, dass die Notfallversorgung vor allem in den Notaufnahmen von Patienten überrannt werden könnte wie weiland das Abendland von den Hunnen. Dass dabei vor allem die Lockrufe der Kliniken mit Angeboten wie Stroke-, Chest-Pain- oder auch Back-Pain-Units zumindest mit verantwortlich sein dürften, die geeignetes lukratives „Patientengut“ in den Notaufnahmen anlanden sollten, dürfte unbestritten sein. Die solchermaßen auf Kliniktrampelpfade geführten Patienten übervölkern nun auch mit kleineren Wehwehchen gerne und auch oft zu Unzeiten die Notaufnahmen der Kliniken.

Bereits die Reaktionen der kassenärztlichen Vereinigungen auf diese Patientenwanderungsbewegungen waren mehr als irrational und führten noch zu Gröhes Zeiten zu einer gesetzlichen Festschreibung sogenannter Portalpraxen an Krankenhäusern und damit der Umgehung der ambulanten Strukturen unserer Praxen. Dass nun diese Portalpraxen bereits jetzt von Dienstärzten am Feierabend unter der Woche bedient werden müssen, findet wenig Anklang bei den Dienstverpflichteten und dürfte auch nur ein Menetekel dafür sein, dass auch eine zwangsweise Besetzung dieser Portalpraxen 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche nicht abwegig sein dürfte. Zumindest wurde diese Forderung bereits vom Bundesrat in den Gesundheitsausschuss eingebracht und wird sicher auch von Herrn Spahn sehr gerne als Ausbau des Serviceangebotes für seine notfälligen Bürger angenommen werden.

Erster Vorbote einer solchen Entwicklung ist, dass das „Terminservice- und Versorgungsgesetz“ die weitgehend ungenutzten Terminservicestellen 24 Stunden öffnen wird und dabei auch vorsieht, dass diese Terminservicestellen akute Notfälle einer sofortigen Behandlung in den Praxen oder in Notaufnahmen zuführen sollen. Bereits jetzt wird auch darauf hingewiesen, dass diese 116117 Callcenter mit der Notrufnummer 112 vernetzt werden sollen.

Auch die offenen Sprechstunden, die den Praxen aufoktroyiert werden oder die bessere Bezahlung von Notfällen, die durch die Terminservicestellen an die Praxen verwiesen werden, weisen in die Richtung, dass man vor allem die lästige Notfalldiskussion irgendwie im Keim ersticken will.

Die Patienten werden zunächst jubilieren, denn die Praxen werden sich doch jetzt endlich um neue, lukrative Patienten reißen. Die Patienten werden auch nicht mehr über den Hausarzt an Termine beim Facharzt gelangen, sondern man wird dem Patienten den Weg über die Terminservicestellen schmackhaft machen – „aber rufen Sie zwischen zwei und drei Uhr morgens an, da ist erfahrungsgemäß am Wenigsten los“.

Auf der Strecke bleiben bei dieser neuen Gesetzesorgie des Bundesgesundheitsministeriums wieder einmal die Patienten, die wirklich krank sind, vor allem die chronisch Kranken, die eben keine Zuschläge für die Praxen bedeuten, weil sie partout eben keine neue Diagnose zu bieten haben.

Die werden durch das Raster des „Notfall-Hypes“ fallen und erst dann wieder von Interesse sein, wenn sie nach Luft ringend in der Terminservicestelle zu einem Disponenten durchgekommen sind und dieser die Dringlichkeit des Notfalls auch erkennt.

War unser aller Bestreben in den letzten Jahren, den chronisch kranken Patienten so gut zu führen, dass er nicht nachts um 5.00 Uhr zum Asthma-Notfall oder zu einer diabetischen Entgleisung wurde, so sorgt diese politische Entgleisung des derzeitigen Gesundheitsministers dafür, dass es wieder mehr Notfälle geben wird. Neben den „Gefühlten“, mit denen wir es in unseren Bereitschaftsdiensten zu tun haben, demnächst auch wieder richtige, die eben keine „Routinetermine“ in den überlaufenen Praxen bekommen.

Man kann nur hoffen, dass dem jungen Bundesgesundheitsminister frühzeitig die Augen aufgehen und er begreift:

„Wer (nur) Notfälle bezahlt, wird auch mehr Notfälle generieren“ – und die machen ein Gesundheitswesen teurer, nicht effektiver und für Patienten definitiv gefährlicher.

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