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Ungesunde Zielkonflikte – BFAV-Memorandum zur Bereitschaftsdienstreform: Dienstentlastung vor Patientenwohl?

Trotz schlechter Umfragewerte unter den Ärzten und zunehmenden Widerstandes der Kommunalpolitiker zieht die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) ihr Konzept zur Bereitschaftsdienstreform mit einer „Augen-zu-und-durch“-Einstellung ohne jede Kritikfähigkeit durch. Ziel ist dabei nicht etwa eine optimale Versorgung der Patienten zu angemessenen Preisen, sondern im Mittelpunkt steht die gebetsmühlenartig vorgetragene Dienstentlastung der Hausärzte, die angeblich andernfalls keine Nachfolger mehr finden würden. Daran erinnern die Fachärzte in einem Memorandum.

Nach Meinung von Dr. Ilka Enger, niedergelassene Internistin aus Neutraubling und gleichzeitig Vorsitzende des bayerischen Facharztverbandes (BFAV), gilt es, für eine gelungene Reform folgende essentielle Ziele zu erreichen, die zwischenzeitlich völlig in den Hintergrund getreten sind:

  1. Die Versorgung der Patienten in der Akut-bzw. Notfallversorgung sollte angemessen der medizinischen Notwendigkeit in adäquater Qualität gewährleistet werden.
  2. Die ambulanten und stationären Kapazitäten sollen gemeinsam und ineinandergreifend so eingesetzt werden, wie sie für die Behandlung des Patienten sinnvoll und notwendig sind.
  3. Regionale Strukturen sind zu fördern und zu erhalten, weil die Kollegen und Politiker vor Ort am besten wissen, wie die entsprechenden Strukturen einsetzbar sind.

Minipraxen contra Blaulichtmedizin
Minimalistisch eingerichtete Portalpraxen sind deshalb nicht das Erfolgsmodell und werden den Anforderungen an eine gute Medizin, die es gerade in den sprechstundenfreien Zeiten braucht, nicht gerecht. Sehr viele Kollegen im Notfalldienst haben eine breit aufgestellte Ausbildung auch im Bereich der Notfallmedizin und eine lange klinische Erfahrung. Der Einsatz von Kollegen, die diese Erfahrung nicht besitzen, ist eher kontraproduktiv und wird das System verteuern. Die Erwartungen der Patienten und auch der kommunalen Politikern in eine moderne Notfallversorgung werden hier enttäuscht und führen zu genau der Verunsicherung, die die Patienten dann in die angeblich besser aufgestellten Notaufnahmen treibt und hier zu einer Überforderung der dringend notwendigen "Blaulicht-Kapazitäten" führt“, so befürchtet Enger und stellt die Frage: „Wie soll ein Orthopäde eine entgleiste Blutzuckererkrankung adäquat therapieren können? Umgekehrt fehle aber in den „Bereitschaftsdienstkammern der KVB die technische Ausstattung, um den verunfallten Hobbysportler adäquat mit Röntgen etc. versorgen zu können. Warum wohl wird ein Dermatologe einen Patienten in 80% der Notaufnahme überantworten, während der Internist deutlich treffsicherer in seiner Notfallbehandlung sein wird?“

Innehalten
Für die BFAV-Vorsitzende bedeutet es „eine unglaubliche Verschwendung und Fehlallokation der vorhandenen, fachlichen Kompetenz der niedergelassenen Ärzte, wenn diese nicht fachspezifisch in der Not- und Akutbehandlung eingesetzt werden.“ Darüber hinaus zwinge man auch noch viele Kollegen in ungewollte, überdimensionierte und völlig entpersonalisierte Kolchose-Strukturen, die dem Wesen des „Hausarzt-Prinzips“ mit persönliche Bindung diametral entgegenlaufen, während die eigene gut ausgestattete Praxis brach liege. Der spürbare Widerstand der um die Versorgung ihrer Bürger besorgten Kommunalpolitiker sei „das letzte Warnschild vor dem Abgrund, das die KVB zum Einlenken, bzw. die Aufsicht zum Einschreiten bewegen sollte. Für den BFAV ist dringend notwendig, innezuhalten und vor dem kompletten Rollout der Bereitschaftsdienstreform die Erfahrungen aus den Pilotregionen zu analysieren sowie mit den Regionen Besonderheiten und Interessen in einem konstruktiven Dialog für passgenaue Lösungen zu diskutieren. Es ist unverantwortlich, fachärztliche Kompetenzen in der Akut- und Notfallbehandlung durch Verortung in fachfremde Tätigkeiten zu verschwenden und damit die Versorgung der Patinnen letztendlich leichtfertig zu gefährden. Und zu guter Letzt ist es auch respektlos gegenüber den Ärzten und den Kommunalpolitikern in den Regionen, sie einfach ablaufen zu lassen, um Partialinteressen mancher berufspolitischer Verbände innerhalb der KVB durchzusetzen“, beklagt Enger abschließend.

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